Social Media und das „Nutzerdaten-Fracking“

Social Media und das „Nutzerdaten-Fracking“

Die werbetreibende Wirtschaft ist immer daran interessiert, ihre Zielgruppen in der Gänze zu verstehen und entsprechende Angebote zu lancieren. Dabei sind die User-Analyse-Tools der großen Plattformen wie Google, Facebook, Instagram, YouTube und TikTok hilfreich. Der Datenschutz soll die Mitglieder vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen und trotzdem exhibitionieren sich viele von ihnen; ermöglichen tiefe Einblicke in ihr Denken, ihre Interessen und ihre Persönlichkeit. Doch welche Daten haben die Big-Player eigentlich von uns und wieso gelten sie als Datenkraken und wie tief gehen diese Zielgruppen- und Rezipientenanalysen?

Begriffe wie User-Stalking oder BigBrother sind negativ behaftet und treten regelmäßig im Zusammenhang der großen Gewinner des Internets auf. Die ARD hat unlängst eine Dokumentation veröffentlicht, die auf drastische Art und Weise Zugang zum Persönlichsten eines Users offenbarte, nur auf Basis der Suchanfragen. (Quelle: ARD Made to Measure: Eine digitale Spurensuche)

Seitdem ist klar, dass Google, Facebook, YouTube und die anderen Riesen ihre Nutzer regelmäßig ausspähen, um sie besser zu verstehen und damit dann auch passende Werbung – entsprechend der Persönlichkeit, Interessen und der Meinung – zuzuordnen. Doch oftmals liegen die Profis auch daneben. Anhand der Werbeinteressen kann jeder User über sich in Erfahrung bringen, was die Plattformen von einem denken, bzw. wie man eingeschätzt wird.

Eine aktuelle Studie des Bundestags dokumentiert jedoch, dass die „künstliche Intelligenz“ Fehler macht und diese zu Diskriminierungen führten. Die Programmierer sprechen dann von „algorithmischen Entscheidungssystemen“ (AES). Durch diese komplexen Programmiervorgänge wird es möglich, dass die Software selbständig lernt und Schlüsse zieht, ob richtig oder falsch ist dabei nebensächlich. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, kurz TAB, hat vier Fallbeispiele veröffentlicht, die ausweisen, wie nachhaltig negative Auswirkungen sein können, wenn die Software die User falsch einschätzt. (Quelle: TAB Studie: Mögliche Diskriminierung durch algrorithmische Entscheidungssysteme und maschinelles Lernen ) In der Regel unterteilen die Programmierer diese AES in regelbasierte oder selbstlernende Unterteilungen. Die Daten werden erfasst, analysiert, gedeutet und detaillierte Handlungsempfehlungen abgeleitet. Entsprechend sind fehlerhafte Interpretationen vorhersehbar.

Im medizinischen Bereich wies ein System eine niedrige Sterberate für Patienten mit Mehrfacherkrankungen und chronischen Krankheiten aus. Patienten mit Lungenentzündungen lagen dagegen wesentlich höher. Bei schwerstkranken Menschen dokumentierten die Programme eine geringen Pflege- und Betreuungsaufwand. Doch wie kam es dazu? Bei chronischen Krankheiten und den Schwerstkranken wurden bereits intensive Therapien durch das medizinische Personal realisiert, um die Patienten zu retten. Dadurch dachte die Software die Sterblichkeit bei diesen Fällen wäre gering und interpretierte nicht die großen Bemühungen, um diese Menschen überleben zu lassen.

In den USA wurde die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern berechnet. Das entsprechende Programm prognostizierte die Quote bei farbigen Straftätern falsch, denn 45 Prozent der Straftäter blieb nach der Strafe gesetzestreu während bei Menschen mit heller Hautfarbe nur 24 Prozent nicht mehr kriminell wurden. Weitere Beispiele sind in der gesamten Studie einsehbar.

Die TAB-Studie zeigt, dass es größere Probleme bei der Diskriminierung gibt, zumindest aber das Potenzial dazu, wenn die Programmierung fehlerhaft ist. Die Wissenschaftler, die die Studie durchführten weisen darauf hin, dass es sinnvoll ist, den Menschen zu signalisieren, bzw. kenntlich zu machen, dass AES im Einsatz ist. Andere Möglichkeiten sind, dass die Programme vor einem Launch Antidiskriminierungsstellen zur Prüfung vorgelegt werden, um eine übergeordnete Regulierung zu gewährleisten und diese Fehlerquellen auszuschließen, indem man Testreihen durchlaufen lässt. Darüber hinaus sind Zertifikate zur Selbstkontrolle möglich oder eine Anpassung des Haftungsrechts, bei dem die Gruppendiskriminierungen aufgenommen werden und einen kollektiven Rechtsschutz nach sich ziehen.

Doch die Büchse der Pandora lässt sich nur schwer wieder schließen oder gar regulieren. Immer öfter werden wir mit AES konfrontiert und müssen mit den Folgen leben. (30.10.2021, Marc Mutert)

Über den Autor:
Marc Mutert studierte Wirtschaftswissenschaften war im Anschluss daran in ausschließlich leitenden Funktionen tätig. Zu seiner beruflichen Expertise gehören namhafte Unternehmen aus den Branchen: Bürotechnik, MICE, Concert & Live-Communication, Media (TV, Print, Hörfunk, Online- und Social Media), Sport und Fitness, Tourismus und Immobilien. Zu seinen Partnern, Kunden und Arbeitgebern gehören und gehörten Unternehmen wie der Mittelrhein-Verlag, der Verlag für Anzeigenblätter sowie die RPR Hörfunkgruppe. Sein Fachwissen in den Bereichen: Produktentwicklung, Vertrieb, Event, Marketing und Kommunikation ist unwidersprochen, ebenso wie seine Erfolge. Seit 2015 ist er selbständiger Unternehmensberater mit den Schwerpunkten: Digitalisierung, Sales-Entwicklung, Omni-Channel-Communication, Markenführung und Marktforschung. Dabei begleitet er die Unternehmen – meist aus dem Mittelstand – durch das komplette Changemanagement. Er steht für eine nachhaltige Business-Ethik mit ganzheitlichem Blickwinkel. Der „out of the box“-denkende Mensch ist privat tief in der rheinland-pfälzischen Gesellschaft verankert und international vernetzt. Bis heute ist er mit dem Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) verbunden und untersützt diesen. Als freier Journalist schreibt er regelmässig für verschiedene Medien. Ehrenamtlich engagierte er sich als Kuratoriumsmitglied für die landesweite Sporthilfe und war Berater des Landessportbundes in Medienfragen. Während der Coronakrise engagierte er sich als freiwilliger Impfhelfer im Impfzentrum Mainz-Bingen.

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