Fünf Sekunden bis zur Sucht: Wie Reels, Shorts & TikTok unsere Gehirne neu programmieren.

Fünf Sekunden bis zur Sucht: Wie Reels, Shorts & TikTok unsere Gehirne neu programmieren.

Marc Mutert | Mutert-Consulting | 11. November 2025

Wieso wir endlich über die Mediensucht bei Jugendlichen und unsere digitale Verantwortung als Erwachsene sprechen müssen? Weil Social Media das neue „Nikotin“ – und wir alle ziehen daran, aber unseren Kindern schadet es am Meisten.
Im Selbstversuch musste ich persönlich anerkennen: YouTube Shorts, TikTok, Instagram Reels und ähnliche Formate besitzen ein enormes Suchtpotenzial – auch für Erwachsene.
Was als kurzer Blick auf ein Video beginnt, endet oft in einem endlosen Strom aus Clips, Musik, Emotionen und Reizen. Nach zwei Stunden fragt man sich: „Wo ist die Zeit geblieben?“
Diese Formate sind psychologisch perfekt darauf ausgelegt, Aufmerksamkeit zu binden. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne liegt heute bei fünf Sekunden – danach muss der nächste Reiz kommen. Der Algorithmus lernt in Sekunden, was gefällt – und liefert genau das. Immer wieder. Immer schneller. Immer intensiver.

Vom Zeitvertreib zur Abhängigkeit
Laut einer aktuellen Studie von DAK und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist mehr als ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland mediensuchtgefährdet – ein Anstieg um 126 Prozent seit der Corona-Pandemie.
Was früher Freizeitbeschäftigung war, ist heute für viele Jugendliche ein Rückzugsraum, der zunehmend Kontrolle übernimmt.

In der Leipziger Spezialklinik Teen Spirit Island werden Jugendliche behandelt, die ohne professionelle Hilfe nicht mehr aussteigen können. Die Folgen sind gravierend: Depressionen, Ängste, sozialer Rückzug und gestörte Schlafrhythmen.

Eltern zwischen Ohnmacht und Verantwortung
Die Sorge der Eltern wächst. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts ist der Medienkonsum ihrer Kinder derzeit die größte elterliche Sorge in Deutschland.
Die Initiative Smarter Start fordert deshalb ein gesetzliches Mindestalter von 16 Jahren für soziale Netzwerke – eine Regelung, die in Australien ab Dezember 2025 bereits gilt.

Doch Gesetze allein werden das Problem nicht lösen. Entscheidend ist, dass Eltern, Lehrkräfte und Gesellschaft verstehen, wie tief Social-Media-Mechanismen in die Belohnungssysteme des Gehirns eingreifen – und dass Kinder und Jugendliche diesen Reizen kaum etwas entgegensetzen können.

Digitale Selbstverantwortung beginnt im Kleinen
Wir leben in einer Zeit, in der digitale Angebote immer kürzer, schneller und reizintensiver werden.
Aufmerksamkeit ist die neue Währung – und Plattformen verdienen an jeder Sekunde, die wir nicht loslassen können.

Mein Fazit nach dem Selbstversuch:
Auch Erwachsene sind nicht immun! Wer glaubt, den Algorithmus austricksen zu können, täuscht sich. Diese Systeme sind darauf trainiert, uns zu fesseln – emotional, visuell und psychologisch.
Umso wichtiger ist es, unsere Kinder davor zu schützen – und ihnen gesunde digitale Gewohnheiten vorzuleben. Zwischen technologischer Faszination und psychologischer Gefahr liegt ein schmaler Grat. Medienkompetenz, bewusste Nutzung und elterliche Begleitung sind die Schlüssel, um diesen Spagat zu meistern.

Es geht nicht darum, Social Media zu verteufeln – sondern darum, digitale Verantwortung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen.
Denn, wer die Aufmerksamkeit kontrolliert, kontrolliert das Verhalten und die Zeit. Genau hier beginnt die Aufklärung.

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