Quo Vadis Lokalzeitung

Quo Vadis Lokalzeitung

Die regionale Monopolstellung von lokalen Tageszeitungen in der Papierausgabe ist vorbei und beim digitalen Wandel, inklusive einer erfolgreichen Monetarisierungsstrategie, wurden im Laufe der Zeit viele Fehler realisiert. Zum weiteren Niedergang kamen auch immer gern selbstzerfleischende Vermarktungsstrategien, die in Teilen bis heute immer auf den Fortbestand der Printausgaben abzielen. Doch die Welt hat sich gewandelt. Die Menschen, auch Ältere, wechseln mehr und mehr zu kostenfreien Online-Nachrichtenportalen und mobilen Applikationen, um sich mit den aktuellen News zu versorgen. Die großen Printdynastien kämpfen um das Überleben und die lokalen Medienmärkte werden umgestaltet. Gerade im Bereich der lokalen Printmedien, bei denen es doch nur selten zu, wirtschaftlich erfolgreichen Online-Strategien kam. Doch es gibt sie, Erfolgsgeschichten im lokalen und regionalen Markt, wenn auch nicht viele und meist sind es ehemalige Zeitungsmacher, die eigene Strategien verfolgen, sich selbständig machten, weil sie bei den Printmedien oft ungehört oder als Stiefkind hinter den Papierausgaben hinterher hinken sollten.

Mit Mitte der 1990er Jahre forschen und experimentieren die klassischen Tages- und Lokalzeitungen mit selbstfinanzierenden Onlineausgaben. Waren viele im Anfang vom schnellwachsenden Internet nicht wirklich überzeugt, so steht mindestens seit dem Jahrtausendwechsel fest, dass der digitale Markt sich stetig weiterentwickelt und keine Eintagsfliege ist. Und obwohl am Anfang wirklich sehr viel in die Forschung gesteckt wurde, um das Internet zu verstehen – und das gerade von den lokalen Tageszeitungen – ist heute davon nichts mehr übrig. Zu den Innovatoren gehörte beispielsweise der Mittelrhein-Verlag (Rhein-Zeitung), der eine Online-Ausgabe entwickelte, die auf dem Leseverhalten von Probanten beruhte. Man beobachtete welche News das Auge als erstes stimulierte und welche Bewegungsrythmen in der Folge die Seite durchsuchte. Entsprechend dieser Erkenntnisse wurden dann die Online-Seiten gestaltet. Das Prinzip war so innovativ, dass sogar US-Printausgaben die Ergebnisse für sich übernahmen und das System einkauften. Doch von solchen Erfolgen sprechen wir heute weit entfernt. Zuletzt schickte der Springer Verlag seinen Führungskader ins Silicon Valley und auch das ist bereits Jahre her, denn Kai Diekmann war zu der Zeit noch Chefredakteur. Doch gerade der Springerverlag unter seiner Leitung Matthias Döpfner hat letztens erklärt das man langfristig auf Printausgaben verzichten wolle und ein reines Digital-Unternehmen anstrebe, wohl auch wenn dieser Wandel noch einige Jahre in Anspruch nehmen würde. 

Eine Vielzahl der bekannten Tages- und Lokalzeitungen reagierte jedch statt mit Innovation mit dem „Vogel-Strauß-Prinzip“. Man veröffentlichte kostenfreie Artikel oder Teaser auf den eigenen Webseiten und Homepages heute kostenlos und am Folgetag erschienen viele dieser Artikel unverändert in der Printausgabe. Doch wenn ein Nutzer das mal für sich erkannte kaufte er keine Printausgabe mehr. Man kannibalisierte sich selbst. Später folgten Google und die sozialen Medien und nutzten die Inhalte mit ihren Algorithmen und präsentierten sie als eigene Nachrichten. Der Rechtsstreit dauert – in Teilen – bis heute an. Auch die Entscheidungsträger wurden von der Welle überollt. In der Folge suchten die Verlage danach ihre digitalen Reichweiten zu steigern und mehr User auf ihre Seiten zu lenken. Likes und Klicks, so hieß es, wären die Grundlagen zum digitalen Goldrausch. Doch auch dieser führte langfristig zu keinen tragbaren kapitalisierenden Modellen und der Qualitätsjournalismus ist, durch einen permamenten Verlust an finanzieller Stärke bei den Verlagen im Niedergang begriffen. Lokalredaktionen wurden geschlossen oder zusammengeführt, Paywall-Modelle wurden eingeführt und noch immer hängt man am Papier und weint den 1990ern hinterher.

Der Markt fragmentiert mehr und mehr, denn immer mehr Verlagshäuser fusionieren miteinander, um irgendwie zu überleben. Funke und Springer sowie Funke und Burda im Großen sowie die Münsterländer Tageszeitung und die Oldenburger Volkszeitung im Kleinen. Man versucht mit Synergie-Effekten in Vermarktung und Verwaltung, der damit verbundenen Reduktion von Mitarbeitern, den immer schwieriger werdenden Marktbedingungen entgegenzuwirken.

Doch handeln die Regionalzeitungen noch regional? Der Aufbau ist bei fast allen gleich: Zuerst die Weltnachrichten, dann der Lokalteil und dazwischen Specials wie der Arbeits- und Immobilienteil. Auch die Sonderthemen ebenfalls im Niedergang begriffen, denn mit Immoscout sowie Stepstone und Monster dünnen die Anzeigenteile weiter aus. Zudem führt ein Personalabbau in den Redaktion zu einem schwindenden lokalen oder regionalen Netzwerk und damit auch zu einem weniger werdenden Lokalteil. Denn immer weniger Redakteure müssen immer mehr Themen und Inhalte abdecken und abarbeiten. Oft bleibt gar keine Zeit mehr auf Terminen vor Ort zu erscheinen, sondern Pressemeldungen werden einfach nur bearbeitet, eingekürzt und abgedruckt. Echter lokaler Qualitätsjournalismus sieht anders aus.

Quo Vadis

Rund 30 Jahre nach Einführung des 56k Modems hinken die Verlagshäuser der Digitalisierung weiterhin hinterher und suchen nach Strategien zur Rettung. Doch warum sperren sie sich guten und innovativen Ideeen gegenüber? Wieso hält man stur am Papier fest?

  • Durch den Umschwung auf eine reine Online-Ausgabe (Applikation, responsive Website, Social Media) erreicht man, in der Regel, mehr Nutzer, als mit den sinkenden Papierauflagen

  • Die Kosten würden sich massiv verringern ohne den Druck, den Papiereinkauf und die Verteilung an die Haushalte und Verkaufsstellen

  • Der klimatische Fingerabdruck würde sich maximal verbessern und in der Folge auch das Image bei jüngeren Milieus

  • Zudem wäre die Wertschöpfung im Vergleich zu Papier höher

  • Die Abonomennten könnten schnell und nachhaltig aufgebaut werden, was wiederum zu nachhaltigen Werbeumsätzen führt

  • Die werbetreibende Wirtschaft – die bereits erkannt hat, dass der digitale Markt viel relevanter ist – würde dies ebenfall honorieren

Ein erfolgreiches Beispiel:

Mit dem Online-Nachrichten-Portal „aktuell4u.de“ hat Rheinland-Pfalz ein sehr erfolgreiches, printfreies Beispiel geschaffen, dass seit mehr als vier Jahren erfolgreich operiert und den User mit lokalen Inhalten aus der Region Eifel-Mosel-Rheinland versorgt. Von Beginn an wurde auf eine reine Online-Ausgabe gesetzt, die sich über eine Applikation und die sozialen Meden fortsetzt.

  • Eine junge und vielfältige Zielgruppe

  • Kostenfreier Content kein Abo-System

  • Finanzierung über die Werbewirtschaft

  • User ist dialogbasiert am redaktionellen Content involviert und kann auch Themen vorstellen (Live-Chats auf den sozialen Kanälen)

  • Audiovisuelle Inhalte

  • Eigene Applikation mit Newsletter-Inhalten

  • Ausbildung (Volontariat) von Trimedialen Journalisten (Print – Online – TV/Hörfunk)

  • Strategische Kooperationen mit lokalem Fernsehen und Hörfunk (sowohl journalistisch wie auch in der Vermarktung)

  • Fokus auf den Mehrwerte (Alleinstellungen des Content / Quelle für andere Medien)

  • Konzentration auf die relevanten Themenwelten der User und deren Intressen

  • Zweitverwertung aller Inhalte in den sozialen Medien

  • Wachstum durch White-Label-Vermarktung in andere Regionen hinein (technische Unterstützung / Umsetzung)

Diese progressive, dialogbasierte und proaktive Strategie führte zu einer treuen Leserschaft und einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage.

Fazit:

Es gibt sie, die funktionalen Online-Strategien und manchmal ist es besser etwas sauber zu kopieren, als eigene schlechte Strategien zu verfolgen. Doch die Frage bleibt: „Quo Vadis Lokalzeitung?“ (27.01.2023, Marc Mutert)

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